Wie Bildungsfrauen lernen können, sich selbst wichtig zu nehmen

Frau Kopf Mentalload

Mit meinem Fokus auf Bildungsfrauen nehme ich Frauen in den Blick, die Bildung für andere gestalten. Dazu gehört, je jünger oder gesundheitlich eingeschränkter die Zielgruppe ist, auch der Bereich der Betreuung und Begleitung. Für mich bilden diese drei Begriffe – Bildung, Betreuung und Begleitung – einen Dreiklang. Und genau dieser Dreiklang ist es, der das Arbeitsfeld oft so herausfordernd und spannende, bereichernd und kräftezehrend macht. Und der euch Bildungsfrauen so viel abverlangt.

Als ich über das neue Buch der Philosophin Rebekka Reinhard stolperte, war ich vom Titel daher direkt eingenommen: „Die Zentrale der Zuständigkeiten – 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“*. Vor meinem inneren Auge formte sich direkt das Bild einer Frau, die den Mittelpunkt eines Netzwerks, einer Schaltzentrale bildet. Dabei hat sie unzählige Verbindungen und Prozesse im Blick, koordiniert Personen und Kommunikation und versucht dabei, verlässlich gute Ergebnisse zu ermöglichen. Die Frau als Zentrale der Zuständigkeiten schwitzte, flirrte vor lauter Aktivität und machte fast den Eindruck, als sei sie beständig im Hamsterrad unterwegs.

„Sie ist: die Zentrale der Zuständigkeiten. Der optimale, weil universell einsetzbare, kostengünstige, höchst flexible 24-Stunden-Support für Heim und Office. Die allseits beliebte Allzweckwaffe, deren ‚Systemrelevanz‘ zwar anerkannt – deren Wert aber immer noch kein entsprechender Preis zugemessen wird.“ (S. 22)

Wann, fragte ich mich, hört diese Zuständigkeit auf? Und greift diese Zuständigkeit für euch Bildungsfrauen nicht direkt doppelt? Einerseits in eurer persönlichen Lebensrealität, wo ihr verschiedene Rollen ausfüllt als Partnerin, Freundin, Mutter, Tochter, Pflegende, Nachbarin, etc. Andererseits in der Ausübung eurer beruflichen Tätigkeit, wo ihr den o.g. Dreiklang aus Bildung, Betreuung und Begleitung bewältigen müsst? Und wo findet ihr Bildungsfrauen Entspannung? Wo seid ihr einmal nicht zuständig, sondern könnt euch fallenlassen und Verantwortung abgeben?

Die Diskussionen um Mental Load, um Equal Care und wirklich gelebte Gleichberechtigung legen hier natürlich den Finger in die Wunde. Denn sie zeigen auf, dass es nach wie vor ein großes Ungleichgewicht gibt zwischen weiblicher und männlicher Lebensrealität – aber auch zwischen weiblichen und männlichen Rollenerwartungen. Und dass es hier gesellschaftlich und politisch noch eine Menge zu tun gibt.

Rebekka Reinhard spricht in ihrem Buch die persönliche Ebene an. Denn nur wenn Frauen auch aktiv (kleine) Veränderungen in ihrem Leben vornehmen, wird sich auch im großen Ganzen etwas verändern. Sie lädt Frauen ein, ihr Leben anhand von thematischen Kapiteln zu reflektieren und bisherige Gewohnheiten zu hinterfragen. Dabei bauen die einzelnen Abschnitte nicht chronologisch aufeinander auf. Das Buch kann im Gegenteil kreuz und quer gelesen werden, so dass frau sich jeweils dem Thema nähern kann, welches aktuell am meisten drückt. „Die Zentrale der Zuständigkeiten – 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“* ist kein Coachingratgeber im klassischen Sinne. Vielmehr werden die unterschiedlichen Aspekte wie z.B. Selbstbild, kommunikatives Auftreten, Abgrenzung, Delegieren von Verantwortung, aber auch Körperbild und Umgang mit sexueller Gewalt, sehr differenziert betrachtet und philosophisch untermauert. Diese Kombination gibt dem Text viel Tiefe und regt auf vielen Ebenen zum Nachdenken an. Und dieses Buch enthält und triggert auch viele Emotionen. Rebekka Reinhard formuliert auf den Punkt – und das fühlt sich nicht immer angenehm an.

Und auch Männer spricht sie an mit einem eigenen Kapitel. Denn, das ist logisch, mehr Gleichberechtigung bedeutet nicht „Kampf Frau gegen Mann“. Im Gegenteil: nur im Verbund kann die Welt sich wirklich nachhaltig verändern. Und auch Männer sind durch die vorherrschenden Rollenerwartungen eingeschränkt in ihrer Lebensführung. Daher sind einige der beschriebenen Überlebensstrategien sicherlich universell einsetzbar.
Für mich ist Rebekka Reinhards Buch „Die Zentrale der Zuständigkeiten – 20 Überlebensstrategien für Frauen zwischen Wollen, Sollen und Müssen“* ein Buch, welches ich sicherlich immer wieder in die Hand nehmen werde. Wenn ich unsicher bin, mich selbst und mein Verhalten hinterfrage oder wenn ich einfach mal eine schriftliche Ermutigung brauche, meine Komfortzone auszuweiten. So wie eine gute Freundin im Buchformat eben, die mir im entscheidenden Moment den nötigen Tritt in den Hintern geben kann.

„Jedes Leben ist Veränderung. Sofern wir über Hirn und Herz verfügen und keine Not leiden, gibt es eine Chance, Dinge anders zu machen.“ (S. 205)

Und insbesondere euch Bildungsfrauen kann ich das Buch sehr empfehlen. Denn euch sehe ich bei dieser Thematik tatsächlich in einer doppelten Verantwortung – und ich hoffe, dass das nun nicht noch mehr Druck auf euch als Zentrale der Zuständigkeiten auslöst!

  • Zum einen seid ihr euch selbst gegenüber verpflichtet, auf euch zu achten, mit euren Kräften zu haushalten und gut zu euch selbst zu sein. Denn ihr Bildungsfrauen arbeitet ständig in Beziehung mit anderen. Das bedeutet, dass ihr gut mit euren Kraftreserven umgehen müsst.
  • Zum anderen seid ihr immer auch Vorbild für eure Zielgruppe. Ihr arbeitet nicht nur für euch im stillen Kämmerlein, sondern euer Job hat Strahlkraft. Wenn nur einige Menschen, die ihr bildet, betreut und begleitet, erleben, dass ihr eure Grenzen wahrt und gut zu euch seid, dann können sie davon lernen, ihr Leben ebenfalls in die eigene Hand zu nehmen.

Danke an den Ludwig Verlag für das kostenfreie Rezensionsexemplar.
Danke an Canva für das Bild.

*P.S. Meine Buchempfehlungen sind Affiliatelinks. So kann ich meinen Blog zumindest ein bißchen refinanzieren.