REZENSION: Coaching als Haltung in der Lehre

Dies ist eine Rezension des Buchs „Mit Freude lehren – Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt“* von Andrea Klein. Erschienen 2022 im Verlag Barbara Budrich – Danke für das Rezensionsexemplar. Preis: 14,90 €
Als Studierende im Masterstudiengang „Coaching, Organisationsberatung, Supervision“ an der Universität Kassel, hat mich Dr. Andrea Kleins Buch „Mit Freude lehren“ sofort angesprochen. Auch meine Erfahrungen als Lehrbeauftragte an der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigen mir immer wieder: Die Rolle einer Lehrperson ist weitaus mehr als reine Wissensvermittlung. Dieses Buch liefert einen frischen, praxisnahen Ansatz, der Lehrende inspiriert, ihren Lehrstil zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
Ein Paradigmenwechsel im Lehr-Lern-Setting
Dr. Andrea Klein fordert mit ihrem Buch einen grundlegenden Perspektivwechsel. Statt Lehrende nur als Wissensvermittler:innen zu sehen, schlägt sie vor, eine coachende Haltung einzunehmen. Diese Haltung ermutigt Lernende, eigenverantwortlich zu handeln und sich aktiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Ansatz, der weit über die klassischen Didaktik-Tools hinausgeht und Lehrende dazu einlädt, ihre eigene Einstellung zur Lehre, zu Studierenden und zu sich selbst zu reflektieren.
„Für dieses Buch ist der Gedanke grundlegend, dass weitere Didaktik-Tools und -Methoden Lehrende nur bedingt voranbringen. Vielmehr wird durch die vorgestellten Inhalte eine tiefere Beschäftigung mit der eigenen Haltung ermöglicht.“ (S. 10)
Drei zentrale Zugänge: Konstruktivismus, Systemisches Denken und Lethologische Haltung
Andrea Klein definiert drei grundlegende Zugänge, die eine coachende Lehrhaltung unterstützen:
-
Konstruktivismus: Jede:r Lernende konstruiert die eigene Wirklichkeit basierend auf individuellen Wahrnehmungen, Emotionen und Erfahrungen. Wissen wird nicht einfach „übertragen“, sondern individuell interpretiert.
-
Systemisches Denken: Lernprozesse stehen in einem komplexen Gefüge von Zusammenhängen. Lehrende und Lernende interagieren, beeinflussen sich gegenseitig und schaffen eine dynamische Lernumgebung.
-
Lethologische Haltung: Eine bewusste Haltung des Nichtwissens, die offen für neue Perspektiven ist und Vorannahmen kritisch hinterfragt.
Dieser Ansatz erfordert von Lehrenden die Bereitschaft, Macht abzugeben und Lernende in ihre Selbstverantwortung zu entlassen – ein Schritt, der vor allem im universitären Kontext herausfordernd sein kann.
Praktische Anleitungen und wertvolle Impulse
Das Buch überzeugt durch seine Praxisnähe. Andrea Klein verbindet fundierte Theorie mit anschaulichen Beispielen aus dem Lehralltag. Sie zeigt Methoden auf, wie eine coachende Haltung konkret umgesetzt werden kann, und beleuchtet Herausforderungen, etwa in Bezug auf Prüfungen und Benotung. Besonders spannend sind die Interviews mit anderen Expert*innen, die zusätzliche Perspektiven bieten und den Horizont erweitern.
Besonderheiten im Hochschulkontext
Die Umsetzung einer coachenden Haltung an Hochschulen ist besonders im Kontext von Prüfungsleistungen schwierig. Klein beschreibt ehrlich den Zwiespalt zwischen Augenhöhe und der Macht, die Lehrenden durch Benotung zukommt. Ihr Ansatz regt jedoch dazu an, den Stellenwert von Noten und Bewertungen im Hochschulsystem zu hinterfragen.
„Mit einer rein coachenden Haltung kann die Notengebung nicht gelingen. Das würde tatsächlich nur funktionieren, wenn alle Beteiligten systemisch denken und der Stellenwert von Noten neu definiert würde.“ (S. 127)
Fazit: Eine klare Empfehlung für Lehrende
„Mit Freude lehren“ ist ein inspirierender Leitfaden für alle, die ihren Lehrstil weiterentwickeln möchten. Andrea Klein begleitet ihre Leserinnen Schritt für Schritt bei der Entwicklung einer coachenden Haltung. Sie zeigt, wie Lehrende Impulse setzen können, die über die reine Wissensvermittlung hinausgehen, und wie sie eine Lernumgebung schaffen, die Studierende in ihre Selbstwirksamkeit führt. Das Buch eignet sich nicht nur für Hochschuldozentinnen, sondern auch für Lehrende in der Erwachsenen- und Weiterbildung.
Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich nicht nur als Wissensvermittlerinnen, sondern als Lernbegleiterinnen verstehen möchten. Dieses Buch ist ein wertvoller Impuls für die Weiterentwicklung der Lehr-Lern-Kultur – und macht Lust darauf, Lehre mit Freude und Sinn zu gestalten.