Gedenkstättenarbeit in digitalen Zeiten: Katrin Unger über Erinnerung, Teilhabe und Bildung für eine diverse Gesellschaft

In Teil 2 des Gesprächs mit Katrin Unger, Bildungsreferentin und stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, taucht Folge 55 des Bildungsfrauen-Podcast tief in die Fragen rund um digitale Vermittlungsformen, Superdiversität und die Rolle von Erinnerungsorten in der heutigen Zeit ein. Dabei zeigt sich eindrucksvoll, wie moderne Gedenkstättenarbeit zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermittelt.
Digitalisierung trifft Erinnerungskultur
Bergen-Belsen liegt abgelegen – geografisch und in Sachen Netzabdeckung. Doch gerade diese Abgeschiedenheit war Ausgangspunkt für innovative Bildungsarbeit: Die digitale Gelände-App erlaubt Besucher:innen, mit Tablets vor Ort historische Kontexte durch Augmented Reality, Interviews, Zeichnungen und 3D-Modelle zu erschließen. Diese App bringt das Unsichtbare sichtbar zurück und macht Geschichte erfahrbar – sowohl für Jugendliche als auch für Überlebende, die sich durch die digitalen Inhalte in ihrer Geschichte gesehen fühlen.
Partizipation und neue Lernformate
Katrin Unger betont die Bedeutung aktiver Teilhabe: Besucher:innen werden nicht belehrt, sondern eingeladen, sich individuell mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Die App ist kein passives Informationsmedium, sondern ein Werkzeug, das Dialog, Reflexion und Selbststeuerung fördert – angepasst an die Bedürfnisse einer vielfältigen Zielgruppe.
Superdiversität als Herausforderung und Chance
In Zeiten von Migration, Kriegen und sozialen Spannungen gewinnt Gedenkstättenarbeit neue Bedeutung. Katrin Unger beschreibt, wie die Gedenkstätte heute heterogene Gruppen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen empfängt – von Schulklassen bis zu Geflüchteten aus der Ukraine. Die Aufgabe: Räume zu schaffen, in denen jede:r seinen Zugang zur Geschichte finden kann – unabhängig von Herkunft, Religion oder Vorwissen.
Neugestaltung der Dauerausstellung
Eine neue Dauerausstellung ist in Planung. Sie soll nicht nur wissenschaftlich auf dem neusten Stand sein, sondern auch inklusive, mehrsprachige und digitale Zugänge bieten. Ziel ist ein „Design für alle“ – mit interaktiven Elementen, kontextuellen Rahmen zur NS-Zeit und globalen Perspektiven auf Verflechtungen, Kolonialismus und Nachkriegsgeschichte.
Gedenkstätten als gesellschaftliche Akteure
Für Katrin Unger sind Gedenkstätten nicht nur Orte der Erinnerung, sondern auch Orte der Demokratiebildung, Menschenrechtsbildung und gesellschaftlichen Orientierung. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen nutzt Social Media, digitale Rundgänge und hybride Formate, um auch jene zu erreichen, die physisch nicht vor Ort sein können.